Das alte Rathaus in der Gibgass
An dieser Stelle, mitten im Ort, stand einstmals das Welteroder Rathaus. Für die Dorfgemeinschaft war es, neben Kirche und Schule, das wichtigste Gebäude.
Das Haus befand sich auf einem Hang zwischen der unteren Dorfstraße (heute Rheingaustraße) und der oberen Gibgasse (heute Gartenstraße).
Die erste Erwähnung findet sich im Gebäude-Brandkataster von 1822.
Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Einrichtung aber schon über 100 Jahre bestanden haben.
Die heutige Backestreppe nach der Neugestaltung von 2010
Der Höhenunterschied zwischen der unteren Dorfstraße (heute Reingaustraße) und der oberen Gibgasse (heute Gartenstraße) konnte mit der sogenannten Backestreppe überwunden werden.
Von der Gibgasse (heute Gartenstraße) aus gesehen, befand sich im Untergeschoss links ein Raum mit der Gemeindekelter. Die Bürger konnten hier ihren Apfelmost keltern. Ebenso wurde Birnensaft gepresst, aus dem der täglich benötigte Brotaufstrich „Bärnschmär“ (Birnenschmiere) hergestellt wurde.
Auf der rechten Seite des Hauses befand sich das Gemeinde–Backes. Aus dem selbst erzeugten Getreidemehl wurde dort von den Bürgern Brot und samstags auch Kuchen gebacken. Der kleinere Anbau rechts diente als Lageraum für Brennholz.
In das Obergeschoss gelangte man über eine steile Holztreppe. Dort befand sich das ofenbeheizte Gemeindekontor und der Sitzungssaal. Hier tagte der Schuldheiß (ab 1848 Bürgermeister) mit den Gemeindevorstehern. Außerdem fanden Sitzungen des örtlichen Feldgerichtes statt. Die Vereine benutzten den Saal für Versammlungen. Ebenso der Gesangverein, wenn er seine wöchentliche Gesangstunde abhielt.
Über eine Luke in der Decke des Sitzungssaales gelangte man auf den Dachboden. Während die aktuellen Gemeindebücher wie Flächenkataster, Gebäudekataster, Hypothekenbuch, Rechnungs-, Protokollbücher und dergl. im Kontor geführt und verwahrt wurden, gelangten abgelaufene Schriftstücke auf den darüber liegenden Speicher. Welterod ist deshalb eine der wenigen Gemeinden, in der über 200 Jahre alte Verwaltungsdokumente noch für Forschungszwecke zur Verfügung stehen.
Das Ende des alten Welteroder Rathauses
Nachdem im Juli 1952 das neue Gemeindehaus (Bundeshaus) in Betrieb genommen wurde, hatte das alte Rathaus als Verwaltungssitz und Versammlungsort ausgedient.
Die Gemeindekelter wurde 1953 in den Keller des Bundeshauses verbracht und auch noch einige Jahre benutzt. Heute ist sie weitgehend in Vergessenheit geraten.
Als Bäckermeister Armin Wieber, mit seiner Frau Frieda, im Jahr 1947 eine Bäckerei in Welterod eröffnete, hatten die Bürger die Möglichkeit, ihr Mehl dorthin zu liefern. Sie bekamen dafür entsprechende Gutscheine und hatten nur noch den Backerlohn zu bezahlen. Daraufhin verlor das Gemeinde–Backhaus nach und nach seine Bedeutung.
Nachdem eine Nutzungsänderung des Gebäudes sich als erfolglos zeigte, wurde am 2. Mai 1956, in einer Gemeinderatsitzung, einstimmig die Niederlegung des alten Welteroder Rathauses beschlossen.
Bericht, Bilder und Repros: Bernd Köhler,
Quellen: Unterhaltungen mit Richard Back, Karl Köhler und Roswitha Wieber, sowie Kindheitserinnerungen des Autors.